„Ich wollt‘ noch Danke sagen…“

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Manchmal spielt uns die Spotify-Playlist im Shuffle Modus ja genau die richtigen Lieder – heute morgen zuerst „Danke“ von den Fantastischen Vier und dann „Was wirklich bleibt“ von Christina Stürmer… Mich haben beide Lieder sofort wie eine Welle mitgenommen und getragen, ich konnte nicht anders als die Lautstärke voll aufzudrehen und lauthals mitzusingen. Als ich dann dank meiner Kinder, die mit verständnislosem Blick ins Zimmer kamen und mir die Lautstärke wieder auf ein gesundes Maß heruntergedreht hatten, wieder in der Realität ankam sinnierte ich während dem Kochen (ja, auch ich bin im Home Office-Modus inklusive Familien-Aufgaben angekommen) über die Frage: für was können wir in dieser aktuellen, irgendwie surrealen, verrückten Zeit „Danke“ sagen? Und da ist mir erstaunlich viel eingefallen.

Ich bin der Überzeugung, dass nichts ohne Grund passiert und in jedem Schlechten, jeder Krise auch das Positive, die Chance enthalten ist. Unter anderem, dass uns wieder einmal bewusst gemacht wird, wie wenig selbstverständlich unser bisheriges Leben war, und wie dankbar wir dafür sein können:

1) Unsere Gesundheit

Es ist nicht selbstverständlich, dass wir und unsere Familie und Freunde gesund sind. Das Virus erinnert uns daran, öfters auch an die zu denken, die dieses Glück gerade nicht haben. Ganz nach dem Motto „Ein gesunder Mensch hat tausend Wünsche, ein kranker nur einen“.

2) Unser Gesundheitssystem

Es ist nicht selbstverständlich, dass wir ein Gesundheitssystem haben, indem man sehr professionell und gut versorgt wird, indem (auch schon vor Corona!) sehr viele bewundernswerte, engagierte Menschen für zu wenig Geld arbeiten und dafür sorgen, dass wir gesund werden und weiter unseren Lebensweg gehen können. Natürlich ist unser Gesundheitssystem nicht perfekt, aber wir müssen gar nicht nach Indien schauen, es reicht schon ein Blick in andere europäische Länder, der zeigt, wie glücklich wir uns schätzen können, welchen Standard wir hier haben.

3) Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft

Ja, es gibt und wird auch weiterhin rücksichtslose Menschen geben, die sich nicht um Ausgangsbeschränkungen kümmern, die weiterhin in erster Linie auf sich selbst schauen. Aber bitte, bitte, bitte lasst uns unseren Fokus nicht auf diesen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung geringen Teil von uns legen, sondern auf die vielen Menschen, die gerade jetzt ihre positive Seite zeigen. Die uns eine neue Qualität von Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft zeigen. Schon jetzt finde ich es beeindruckend, wie viele Initiativen entstehen um uns gegenseitig zu unterstützen. Eine gerade in meiner Region gestartete ist zum Beispiel https://ihr-hilft.de/

4) Unsere Freiheitheit

Bis vor kurzem war es das selbstverständlichste auf der Welt, dass wir uns weltweit frei bewegen können, die meisten von uns können sich Ausflüge und Urlaub leisten und wenn wir Menschen, ein Konzert oder eine Ausstellung besuchen möchten, dann haben wir das einfach gemacht. Plötzlich ist auch das keine Selbstverständlichkeit mehr, wir dürfen keine Freunde zu uns einladen, uns zur Begrüßung nicht mehr umarmen, nicht einmal mehr die Hand geben. Wie schön wäre es, wenn wir diese Bewegungsfreiheit, wenn wir sie wieder haben, wirklich zu schätzen wissen? Wenn wir hin und wieder an die vielen Regionen und Länder dieser Welt denken, in denen all das auch im Alltag vor und nach Corona keine Selbstverständlichkeit ist? Wenn ich mir jetzt meine erste Umarmung eines guten Freundes nach Corona vorstelle fühlt sich die irgendwie intensiver, inniger an

5) Unsere soziale Marktwirtschaft

Unsere Demokratie und unser politisches System ist weit weg von perfekt und ja – es gibt genug, was wir zurecht kritisieren können. Nur sollten wir auch hier nicht aus dem Blick verlieren, was wir hier gerade geboten bekommen: für sämtliche Berufsgruppen werden Hilfspakete geschnürt und Rettungsschirme gespannt, mit Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld wird versucht, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten und all diese Maßnahmen werden in einer beeindruckenden Schnelligkeit verabschiedet. Auch hier hilft der Blick über den Tellerrand, um unseren Blick zu schärfen. Viele andere Länder können sich solche Hilfspakete schlicht nicht leisten oder sie sind nicht vorgesehen. Letzte Woche habe ich per Videochat mit einem Freund in Kalifornien gesprochen. Seine großen Augen, als ich im von Kurzarbeitergeld und unseren Hilfspaketen erzählt habe, werde ich so schnell nicht vergessen.

6) Unser Einfluss auf die Gestaltung unserer Zukunft

COVID-19 hat innerhalb weniger Wochen mehr zur Reduzierung der CO2-Emissionen beigetragen als alles Diskutieren und Demonstrieren der letzten Jahre. Nicht „das Virus“ hat weniger Emissionen ausgestoßen sondern unser verändertes Verhalten. Jetzt wurden wir dazu gezwungen, in Zukunft können wir es wieder wählen. Uns wird ein Spiegel vorgehalten der uns zeigt: es ist kein von außen vorgegebenes „System“, das bestimmt wie wir zusammenleben und zusammenarbeiten. Wie sich unsere Gesellschaft und unser Planet weiter entwickeln liegt an uns, an unserem Verhalten. Und mit einer Veränderung unseres Verhaltens müssen wir auch nicht bis zum Ende der Corona-Krise warten, wir können jetzt sofort damit anfangen. Nur ein paar Beispiele: Bestellst du jetzt bei lokalen Läden und trägst dazu bei, dass sie diese Krise überstehen oder bei den großen Online-Händlern? Wenn du jetzt ausgefallene Besprechungen planst: musst du dafür auch in Zukunft in ein Flugzeug steigen oder geht es genauso gut per Videokonferenz? Kaufst du jetzt die letzte Packung Nudeln im Supermarkt obwohl du noch genug zuhause hast oder lässt du sie für jemand anderen stehen?

7) Wir sind eins – Miteinander statt gegeneinander

Die letzten Jahre waren weltweit geprägt von einem Aufstieg der Populisten und Nationalisten wie Trump, Bolsonaro, Orban, Salvini, Johnson. Sie alle, genauso wie in Deutschland die AfD, haben eines gemeinsam: Sie betonen die Unterschiede zwischen Menschen, Kulturen, Ländern statt die Gemeinsamkeiten. Sie wollen trennen, nicht verbinden. Versuchen Mauern und Grenzen in unseren Köpfen zu bauen anstatt Brücken. Und jetzt kommt das Corona-Virus und zeigt uns, dass es keinen Pass benötigt, dass all diese Grenzen keinen Wert haben. Das Virus macht keine Unterschiede. Unabhängig von Herkunft, Beruf, ob reich oder arm, Religion – es behandelt uns alle gleich. Wäre doch schön, wenn wir das in Zukunft auch tun?

8) Runter vom Gas – bewusster Leben statt höher, schneller, weiter

Für viele von uns, mich eingeschlossen, waren die letzten Jahre geprägt von einem unglaublich hohen Tempo. Das Motto lautete: möglichst viel in möglichst kurzer Zeit schaffen. Egal ob in der Arbeit oder in der Freizeit, zur Ruhe kommen war eher nicht vorgesehen. Es ist beeindruckend, wie viel man schaffen kann, wie viele Tätigkeiten man unter einen Hut bekommt. Nach dem Arbeitstag noch zum Sport, dann noch Freunde treffen, Pläne fürs Wochenende oder den nächsten Urlaub schmieden – und am Wochenende war der Kalender gefühlt genauso voll wie unter der Woche – nur nicht locker lassen, nur nichts verpassen. Jetzt zwingt uns das Leben zum massiven zurückdrehen unserer (Hyper)-Aktivität, zum Innehalten und zuhause bleiben. Wie würde unsere Zukunft aussehen, wenn es langfristig gar nicht darum geht, in den nächsten Gang zu schalten sondern eher das Gegenteil – ein (oder sogar zwei) Gänge zurückzuschalten? Müssen es in Zukunft so viele Aktivitäten sein? Oder genießen wir weniger dafür umso mehr?

9) Wenn Covid-19 ein Bote wäre – was würde es sagen?

Ich glaube es würde sagen: „Ich gebe euch jetzt die Möglichkeit innezuhalten und zu überlegen, wie ihr weiter leben möchtet. Wie ihr mit euch selbst, euren Mitmenschen und eurem Zuhause, der Erde umgehen möchtet. Ich würde euch dringend raten: nutzt diese Chance und ändert euer Leben zum Vorteil von jedem einzelnen, der Gesellschaft und der Erde. Jeder von euch ist jetzt gefordert, jeder hat seinen Anteil daran, wie es weitergeht. Ich bin die Frage, was ihr daraus macht ist eure Antwort. Ich weiß, der Einschnitt ist hart, aber er ist notwendig. Und ich bitte euch, diese Chance zu nutzen. Es könnte eure letzte sein.“

Video-Austausch per Zoom

Ich freue mich, mich mit euch über eure Ideen für die Zukunft nach Corona auszutauschen. Bei Interesse schickt mir bitte eine Mail an: kontakt@tobiasfriedl.de, dann erhaltet ihr die Zeiten und Zugangsdaten!