Aufbruch

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Seit meiner Ankunft in Venedig im Juni 2018 war klar: mein Fernwander-Fieber ist geweckt und das nächste Ziel, der nächste Weg kommt bestimmt. Im Februar 2020 hatte ich dann endlich eine Entscheidung getroffen: eine Wanderung von mir zuhause in Etappen über mehrere Jahre aufgeteilt zum Nordkap (mein damaliger Blog-Beitrag). Dann kam Corona und aus dem ursprünglich für April angedachten Start wurde nichts.

Endlich losgehen

Jetzt kann es am 13. Juli endlich losgehen und die Vorfreude in mir ist noch viel größer geworden, als sie im Februar jemals war. Ich spüre diese riesengroße Lust und Motivation, mich auf den Weg zu machen. Aufzubrechen. Ich habe keine Ahnung wann ich am Nordkap stehen darf, welchen Weg ich genau unterwegs gehen werde, wie weit ich jedes Jahr komme, wo ich unterwegs übernachten werde. In meinem Kopf spielt das Ankommen keine Rolle, ich denke nur an die ersten Etappen und an das Gefühl, auf dem Weg zu sein.

Zwischen meiner Entscheidung für diese Wanderung und heute hat sich unglaublich viel verändert. Auch für mich und unsere Familie war und ist diese Zeit eine echte Achterbahnfahrt. Nach dem Lockdown geht es wieder weiter – aber wie eigentlich? In mir spüre ich Hoffnung und gleichzeitig auch Unsicherheit und Angst, was die Zukunft bringt. Meine Tochter darf wieder in die Schule gehen – aber nur alle 2 Wochen im Wechsel mit jeweils einer Woche Homeschooling. Und mit aus Sicht eines 9-jährigen Mädchens sehr verständlichen Stimmungswechseln. Wenn mal wieder Mama oder Papa versuchen zu erklären, wie viele Ecken und Kanten eine geometrische Form hat, lernt man gleich ungewollt auch noch mehr Ecken und Kanten der beteiligten Familienmitglieder kennen… Mein 6-jähriger Sohn darf wieder in den Kindergarten und genießt es, dass er wieder mit anderen Kindern spielen darf. Und gleichzeitig spüre ich wie ihn neue Regelungen wie die Trennung der einzelnen Gruppen und dass er nicht mehr Fußball spielen darf, beschäftigen. Meine Frau und ich arbeiten seit Monaten fast ausschließlich im Home Office. Habe ich in meinem bisherigen Leben schon einmal soviel Zeit am Stück zuhause verbracht? Ich glaube nicht. Ja, wir schaffen das, ich bin auch stolz auf uns alle. Und gleichzeitig geht etwas verloren, wenn man soviel zusammen ist. Die Vorfreude auf zuhause nach einem Tag im Büro, auf das gemeinsame Wochenende nach einer Geschäftsreise, auf ein gemeinsames Glas Wein, bei dem man sich erzählt, was bei dem anderen heute so los war. Das Glas Wein gönnen wir uns schon – nur von welchen spannenden Erlebnissen soll ich erzählen wenn es entweder keine gab oder wir eh alle vier dabei waren?

Vorfreude auf Sehnsucht

In einer kleinen Pension im Nirgendwo alleine auf dem Zimmer sein und meine Familie vermissen. Am nächsten Tag weiter in Richtung Norden gehen und sich gleichzeitig schon wieder auf das nach Hause kommen freuen. Alleine sein und sich danach sehnen, meine Frau und meine Kinder wieder in die Arme zu schließen. Vielleicht freue ich mich auf diese Polaritäten, auf diese Gefühle mindestens genauso sehr, wie auf meine Wanderung. Und ich kenne mich gut genug, um zu wissen: es geht schon am ersten Abend damit los.

Es wird Zeit für mich, aufzubrechen, soviel steht fest. Mit meinen Füßen. Und mit meinem Kopf. Die letzten Monate beim Gehen sacken lassen und beginnen, sie zu verarbeiten. Fragezeichen setzen. Was aus dem Leben vor Corona möchte ich eigentlich zurückhaben? Was ist mir wirklich wichtig und auf was kann und will ich in Zukunft verzichten? Auf dem Weg nach vorne Ausrufezeichen setzen. Das bin ich! Und das mache ich und zwar aus ganzem Herzen! Und mit offenem Herzen auf dem Weg ins Gespräch mit Menschen kommen. Wie geht es ihnen? Wie wirkt sich Corona in ihrem Leben aus? Was sind ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft? Auf zwei wertvolle Begegnungen am ersten Tag freue ich mich ganz besonders: die erste Etappe darf ich mit meinem Vater gehen, einem Menschen, der mir ganz besonders am Herzen liegt. Und wir kommen am Grab meines Opas vorbei. Per Zufall bin ich während der Corona-Zeit auf seine Tagebücher gestoßen und durfte ihn dadurch postum besser kennen lernen, als ich es zu seinen Lebzeiten konnte. Und ich wurde erinnert, wohin seine letzte große Reise ging: zum Nordkap.

Über meine Erlebnisse und Begegnungen auf dem Weg berichte ich hier in diesem Blog und über Social Media ( Facebook | Instagram ).